von anfängen, bananen der einheit und serpentinen
Trommelwirbel, 1 neuer Newsletter zu Ostdeutscher Kunst und Kultur ist jetzt da. Und fragt erstmal nach seiner Herkunft und was eigentlich das Problem mit der Banane ist.
Hallo und herzlich willkommen zur ersten Ausgabe von alles banane – hurra!
Das ist dein Newsletter über Kunst und Kultur aus Ostdeutschland. Denn ich finde: Abgesehen von der Berichterstattung vor Landtagswahlen und Einheitsjubiläen fehlt es oft an einer Auseinandersetzung mit der Szene vor Ort.
Zeit also, das zu ändern! Ab jetzt landet alle zwei Wochen ein Alles Banane-Brief in deinem Postfach – mit einer neuen kreativen Perspektive aus DEM OSTEN (ja, auch um diesen Begriff wird es noch gehen). Ebenso wie um ostbewusste Literatur, feministische Performances, verbotene Straßenkunstfestivals, Kunstkollektive aus Kulturhauptstädten und Porzellan (okay, vielleicht nicht um Porzellan).
Aber jede gute Geschichte beginnt mit einer prickelnden Origin-Story, und dieser Newsletter macht da keine Ausnahme:
Am Anfang war die Banane
Als „das dreifache Problem mit der Banane“ beschreibt die Autorin Olivia Wenzel in ihrem Roman 1000 Serpentinen Angst die rassistischen und sexistischen Stereotype, die das Essen einer Banane im Alltag zum Problem machen. Für die Protagonistin des Romans kommt noch etwas dazu:
„Eine Banane essen als Ossi – die Banane als Sinnbild für die Unterlegenheit des beigen Ostens gegenüber dem goldenen Westen. Die Banane als Brücke in den Wohlstand, exotische Südfrüchte als Symbol wirtschaftlicher Übermacht. Boah, und diese blöden Ossis standen da nach’m Mauerfall stundenlang für an, ey.“ (Olivia Wenzel 2020, S. 49)
Seit ich den Roman vor vier Jahren zum ersten Mal gelesen habe, denke ich oft an diese Stelle. Manchmal mit einem Seufzen, oft mit Wut – und inzwischen auch mit Neugier darauf, was damals wirklich nach dem Mauerfall passiert ist.
Bananen sind Ehrensache
Die Geschichte liest sich irgendwie so: In der DDR waren Bananen, wie viele andere Südfrüchte, nur selten erhältlich. Mangel schafft bekanntlich Kostbarkeiten, und so wurde eine Banane ein echtes Ereignis. 1972 erklärte die SED-Partei die kontinuierliche Versorgung der Bevölkerung mit Bananen sogar zur Ministerratssache.
Übrigens: Auch die BRD kümmerte sich um die problemlose Bananenversorgung und setzte 1957 auf EU-Ebene deren zollfreie Einfuhr durch.
Nach dem Mauerfall im Jahr 1989 war der Zugang zu Bananen endlich grenzenlos. Zeitzeug*innen berichten, dass sie schon an der Grenze großzügig mit Bananen begrüßt wurden – für einige jedoch eine herablassend-zynische Geste nach über 40 Jahren DDR-Regime.
Das regt zum Nachdenken über die westdeutsche Perspektive auf die Wiedervereinigung an, so auch die Journalistin Nicole Zepter. Mit ihrem Buch Wer lacht noch über Zonen-Gaby? Ein Vorschlag zur Versöhnung wagt sie eine sensible Auseinandersetzung mit ostdeutscher Geschichte für ein westdeutsches Publikum.
„Zonen-Gaby“ war auf dem Titanic-Cover aus dem Herbst 1989, auf dem sie völlig im Glück ihre erste Banane hält, die – Witz incoming – tatsächlich eine Gurke ist.
Ich erinnere mich, wie ich während langer Geigenunterrichtsstunden in Leipzig auf die Postkarte mit diesem Motiv an der Pinnwand meines Lehrers starrte. Es dauerte Monate, bis ich den Witz verstand.
Zeitsprung ins Jetzt
Acht Jahre später wohne ich wieder in Leipzig. Es ist das Jahr 2025. Bei den Landtagswahlen im vergangenen Herbst hat die AfD so richtig abgesahnt, viele Kulturprojekte stehen finanziell kurz vor dem Aus, und in Riesa haben gestern fast 15.000 Menschen gegen die Wiederkehr des Faschismus demonstriert.
In diesen Zeiten wird ostdeutsche Geschichte kontrovers verhandelt. Die AfD mobilisiert „den Osten“ für ihre politischen Zwecke, während andere (oder dieselben) Gleichberechtigung mit DDR-Zensur vergleichen. Historisch wird gerade einiges noch einmal aufgerollt. Es wird diskutiert, was in Geschichtsbüchern, Museen und auf Denkmälern stehen wird. Jetzt entscheidet sich, wie wir erinnern.
Genau der richtige Zeitpunkt also, um im Diskurs über den Osten kreativen Stimmen die Aufmerksamkeit zu schenken – von damals und heute.
Ich freu mich.
Bis bald,
Frida
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Olivia Wenzel war 2024 für den Bachmann-Preis nominiert. Ihr Text Hochleistung, Baby ist hier nachzulesen.
Nicole Zepter (ehemalige Chefredakteurin der NEON) beschäftigt sich in Und wer lacht noch über Zonen-Gaby? mit der Wiedervereinigung aus westdeutscher Perspektive.
Mehr zur Politik der Wiedervereinigung und der Bananen gibt es in diesem Beitrag von Deutschlandfunk: Alles Banane.
Der Klassiker: Valerie Schönian, Ostbewusstsein – Warum Nachwendekinder für den Osten streiten und was das für die Deutsche Einheit bedeutet, München 2020. Valerie Schönian schreibt übrigens auch für Die Zeit im Osten großartige Artikel, z. B. über die Notwendigkeit von solidarischen Trost in Magdeburg nach dem Anschlag im Dezember.